SV Darmstadt 98
1. Bundesliga
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Dirk Sommer

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Am letzten Spieltag der Saison 2014/15 verteidigte Zweitligist SV Darmstadt 98 durch einen 1:0-Sieg über den FC St. Pauli den zweiten Tabellenplatz und sicherte sich somit den direkten Aufstieg in die Bundesliga. Dieser Erfolg bedeutete zugleich den direkten Durchmarsch von der 3. in die 1. Liga.

33 lange Jahre ist es her, dass die "Lilien" zuletzt das Oberhaus bereicherten, und dementsprechend brachen nach Spielabpfiff alle Dämme im Stadion am Böllenfalltor: Binnen weniger Sekunden fluteten die Fans das Feld und versperrten den Spielern mehr oder weniger den Weg in die Katakomben. "Das ist das zweite Wunder innerhalb eines Jahres", kommentierte später Trainer Dirk Schuster (47) laut "kicker" das zustande gebrachte Bravourstück.

Der ehemalige Spieler Karl-Heinz Emig (52) äußerte sich im Fachblatt weniger verwundert ob der Sensation: "Dieser Aufstieg ist verdient, weil die Mannschaft die ganze Saison über vorne dabei war." In der Tat war Schusters Elf mit Ausnahme von vier Spieltagen stets unter den ersten fünf Teams der Liga, stand in zehn Fällen auf einem direkten Aufstiegsplatz (schlechteste Saisonplatzierung: Tabellensiebter an Spieltag 2). Unter dem Strich beendete Darmstadt das Fußballjahr mit 59 Punkten (15 Siege – 14 Unentschieden – 5 Niederlagen) und stellte neben dem Karlsruher SC die beste Abwehr der Liga (Torverhältnis 44:26).


Entwicklung des Vereins

Die Rückkehr der Südhessen in die höchste deutsche Spielklasse darf insbesondere im Lichte der jüngeren Vergangenheit fast schon als Wahnsinn betrachtet werden. Erst vor sieben Jahren stellte der Verein einen Insolvenzantrag, der ein Jahr später dank großer Solidaritätsaktionen zurückgezogen wurde. Vor zwei Jahren steuerte man erneut dem Abgrund entgegen: Die Blau-Weißen verpassten sportlich den Klassenerhalt in der 3. Liga, blieben im Nachhinein aber vom Schicksalsschlag Abstieg verschont, weil dem Ligakonkurrenten Offenbacher Kickers noch die Lizenz entzogen wurde.

In der darauffolgenden Saison dann das erste Wunder: Der Traditionsklub bezwang Arminia Bielefeld im Rahmen einer von Dramatik geprägten Relegation um die die Zugehörigkeit zur 2. Bundesliga (1:3 und 4:2 n. V.) und gehörte nach 21 Jahren wieder dem Unterhaus an. Es sollte sich gleichwohl nur um eine Durchgangsstation für den 1919 ins Leben gerufenen Verein handeln.

Der SV Darmstadt 98 wird der Bundesliga zur kommenden Spielzeit zum dritten Mal nach 1978/79 und 1981/82 angehören; damals sammelte der Klub jeweils ein Jahr lang seine Erfahrungen in der deutschen Beletage.


Wichtige Eckdaten

    • 1919: Vereinsgründung durch Fusion von FK Olympia 1898 und SC 1905
    • 1932: Bis hierhin Zugehörigkeit zur ersten Spielklasse
    • 1974: Gründungsmitglied der 2. Liga
    • 1978 und 1981: Teilnahme an der 1. Bundesliga
    • 1988: Bundesliga-Aufstieg in der Relegation (im Elfmeterschießen) verpasst
    • 1993: Abstieg aus der 2. Liga
    • 1998: Abstieg in 4. Liga
    • 2011: Aufstieg in 3. Liga
    • 2014: Aufstieg in 2. Liga (per Relegation)
    • 2015: Aufstieg in 1. Liga


Gegenentwurf zu den modernen Arenen

Über das Stadion am Böllenfalltor wird gesagt, das einzig Neue daran sei die 20 Jahre alte Sauna. Eher Kult oder doch bundesligauntauglich? "Guardiola, Robben und Neuer werden sich wundern, wenn sie in unsere Gästekabine kommen", zitierte der "Spiegel" jüngst Darmstadts Mittelfeldspieler Marco Sailer (29) im Hinblick auf das renovierungsbedürftige Innenleben.

Die Darmstädter Spielstätte wurde 1921 eröffnet und fasst derzeit 16.500 Zuschauer. Bald könnte am "Bölle" allerdings ein bisschen weniger des maroden Charmes in der Luft liegen: Bis 2018 sollen für schätzungsweise 27 Millionen Euro Umbauarbeiten am Stadion durchgeführt werden. In diesem Zuge geht es wohl nicht nur dem Unkraut zwischen den Steinstufen in der Pufferzone zwischen Heim- und Gästeanhängern an den Kragen.


Trainer und Mannschaft

Die Verpflichtung von Coach Schuster im Dezember 2012 erwies sich als Glücksgriff für die Hessen, stellt die von ihm etablierte Marschroute "Mentalität schlägt Qualität" doch das Herzstück des jetzigen Erfolgs dar. Der diesjährige Aufstieg ins Oberhaus gelang mit einem minimalen Etat von unter sechs Millionen Euro.

Dass es sich bei der Lobeserhebung des Trainer(team)s mitnichten um ein Schmücken mit fremden Federn handelt, verdeutlicht auch der folgende Umstand: Noch heute besteht die Scouting-Abteilung des Vereins aus lediglich zwei Personen – den Vätern von Schuster und Co-Trainer Sascha Franz (41). Bei der Kaderplanung bleibt also alles in der Familie.


Auffangbecken Darmstadt

Beispielhaft für jene Riege an Spielern seien etwa Marcel Heller (29) und Dominik Stroh-Engel (29) genannt, die einst bei Eintracht Frankfurt unter Vertrag standen, wo ihnen aber wenig bis kaum Berücksichtigung zuteilwurde. Letzterer avancierte im vergangenen Jahr mit 27 Treffern zum Rekordtorjäger in der dritten Liga und stand auch nach Abschluss dieser Spielzeit in der vereinsinternen Torschützen- und Scorerliste auf Platz eins (9 Tore – 4 Vorlagen). Mittelfeldspieler Heller hingegen bereitete 2014/15 die meisten Tore vor (8) und gehörte zu den besten Feldspielern der Zweitliga-Saison ("kicker"-Note: 2,91).

Der zumindest nach "kicker"-Bewertung beste Akteur der "Lilien" kommt indes, wie könnte es anders sein, aus der Abwehrabteilung: Aytac Sulu (29, Note 2,85), Anfang 2013 vom österreichischen Zweitligisten SC Rheindorf Altach engagiert, steht im Spielerranking des Blatts unter den Top 10.

In puncto Defensivarbeit darf natürlich auch Torwart Christian Mathenia (23) nicht unerwähnt bleiben, der 17-mal die weiße Weste behielt. Weitere Beispiele für Schusters goldenes Händchen: Marco Sailer, einst in Heidenheim aussortiert, und Leon Balogun (26), der noch bis Oktober 2014 vereinslos war.


Abenteuer Bundesliga

Alles in allem weist die Mannschaft nicht die großen Einzelkönner auf, sondern besticht vielmehr durch das Kollektiv, ganz im Sinne einer verschworenen Einheit. Aber reicht das auch für die Top-Liga? Die fußballerische Klasse, die Infrastruktur (mit einem Dutzend Festangestellten und etwa 120 ehrenamtlichen Helfern), der Etat – all diese Punkte sprechen erst einmal nicht dafür.

Der Trainer wird wieder auf die körperliche und mentale Hingabe seiner Mannen setzen, die "selbst im roten Bereich noch eine Schippe drauflegen" können, wie Schuster im "Spiegel" erklärt. "Wir wollen die Faktoren beeinflussen, die wir beeinflussen können", gibt der gebürtige Chemnitzer als Maßgabe aus, mit der das dritte Wunder in Folge bewerkstelligt werden soll.